L’Ambassadeur & moi – Interview mit dem Sohn eines Diplomaten

von Deniz Sartekin

Es ist das Verhältnis zwischen Vater und Sohn. Ein Vater (Slawomir Czarlewski), der für seinen Diplomatenberuf lebt und ein Sohn (Jan Czarlewski), der sich nach mehr Aufmerksamkeit sehnt. Viel Arbeit, aber wenig Zeit für Familie und Privates, das ist sich Jan von seinem Vater gewohnt. Nun durchbricht der Diplomatenjunge als junger Regisseur die Stille und dreht einen Film (Kurzfilm im Wettbewerb) über die Beziehung zwischen ihm und seinem Vater.

"Ich komme mir so wichtig vor"

Im Interview, das ich mit Jan geführt habe, erwähnt er, dass er seinen Vater über alles liebt und ihn in keiner Weise verletzen möchte. Bei diesem Dokumentarfilm bleibt auch der sonst so ruhige und strebsame Diplomat nicht ganz unberührt. Jans Aussage zufolge war Slawomir bei der ersten Visionierung des Films geschockt, er brach in Tränen aus. Als er sich den Film jedoch zum zweiten Mal anschaut, muss der in Polen gebürtige Diplomat lachen. Kein Zweifel, dass er stolz darauf ist, Vater eines solchen Filmemachers zu sein.

Inspiriert wurde Jan in einem Workshop von Jean-Stéphane Bron, den er an der Ecal (Ecole cantonale d’art de Lausanne) besuchte. Die Studenten mussten einen Film über „die Arbeit“ im Generellen drehen und es war für Jan von Anfang an klar, dass sein Werk sich um den Diplomatenberuf seines Vaters handeln muss. Nach dem Familienoberhaupt kennt sich keiner besser mit Diplomatie aus als Jan. Er ist mit der Berufung seines Vaters aufgewachsen. Schon als kleiner Junge träumt er davon, wie sein erfolgreicher Papa zu sein. Er vergöttert und liebt ihn. Auch während des Gesprächs erwähnt Jan auffallend oft : „I love my dad and I always wanted to be like him (Ich liebe meinen Vater und wollte immer so sein wie er)“. Auf die Frage weshalb er nicht in die Fussstapfen seines Vaters getreten ist, meint Jan, dass er niemals ein solch guter Diplomat geworden wäre, wie es sein Vater ist. Er geht seinen eigenen Weg und wird heute als junger Nachwuchsregisseur gefeiert.

Seine Dokumentation widerspiegelt auf eine raffinierte Weise die Stille im Hause Czarlewski, die Liebe des Botschafters für sein Land Polen, den Stolz, den er damit verbindet und nicht zuletzt auch die Einsamkeit von Slawomir und seinem Sohn.
Witzig an dem Kurzfilm ist die provokante Art des Studenten. Er versucht verzweifelt seinen Vater aus der Reserve zu locken. Er bombardiert ihn mit Fragen (vor allem über seinen Beruf), verschiebt Gegenstände im Haus, da dieser ein fast krankhafter Ordnungsfanatiker ist, und stellt sich teilweise naiv, weil er nur zu gut weiss, dass seinem Vater die Art seines Sohnes nicht gefällt. Doch auch Slawomir irritiert teils mit seinem ignoranten Wesen. Obwohl Jan mehrmals versucht mit ihm ein Gespräch zu führen, bekommt der Junge meist keine Antwort. Der Vater ist genauso von Jans Filmerei genervt, wie dieser von seinem Beruf als Diplomaten. In vielerlei Hinsicht sind sie sich sehr ähnlich und verstehen sich wahrscheinlich gerade aus diesem Grunde nicht. Dennoch nähern sich die beiden im Verlaufe der Zeit an, bis sie allmählich merken, dass sie ähnliche Wünsche und Erwartungen aneinander haben.

Slawomir ist meist stumm wie ein Fisch und in seine Arbeit vertieft. Der Diplomat ist sichtlich übermüdet und hat kaum Zeit für sich. Wie soll er sich dann auch noch seiner Familie zuwenden? Die Klage über diese Tatsache ist ausdrücklich: „My father is so tired, he is having meetings every single day. but still he won’t stop working, that is his passion (mein Vater ist übermüdet und hat Sitzungen jeden einzelnen Tag. Aber dennoch, er wird nicht aufhören zu arbeiten. Dies ist seine Passion“).

Einen solch persönlichen Film sah ich schon lange nicht mehr. Auch beim Interview war der Kurzfilmregisseur äusserst emotional. Seine Stimme zitterte, wenn er über seine Kindheit sprach. Sein Vater war wegen seinem Beruf wenig zuhause. Meist konnte er nur die Wochenenden mit ihm verbringen. Dennoch, heute soll alles anders sein. Jetzt ist auch Jan reifer und kann das Ganze aus dem Blickwinkel seines Vaters sehen. Obwohl der Botschafter übermüdet, überarbeitet und Idealist ist, hat er Jans Aussagen zufolge eine Menge gute Eigenschaften an sich. Er möchte seinem Land und den polnischen Bürgern helfen und setzt sich für diese mit Leib und Seele ein. Nochmals betont er: „Poland is his passion (Poland ist seine Passion)“.

Frankreich 2011, 15’30

Genre: Dokumentarfilm
Regie & Schnitt: Jan Czarlewski
Musik: Ignacy Paderewski

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